Alexander durchschlägt den gordischen Knoten (Gemälde von Berthélemy)

Verstrickt im Netz

Mic Szillat
Freifunk Düsseldorf
4 min readJan 3, 2018

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Wie wir unser Mesh-Netzwerk erneuert haben

Heute Nacht gab es eine Umstellung im Mesh des Freifunk Düsseldorf, den die Nutzer möglicherweise gar nicht bemerkt haben — aber der einen großen Schritt im Ausbau unserer Infrastruktur bemerkt haben: Wir haben unser Netz gesplittet.

Nun macht euch bitte keine Sorgen, dass wir uns schon wieder streiten und die Zusammenarbeit nun endgültig aufgeben. Darum geht es nicht. Worum es es sich hier handelt, ist lediglich eine technische Maßnahme, die wir mit diesem Artikel gerne erklären möchten.

Schließlich ist Technik von hoher Relevanz auch für die Gesellschaft und Politik. Freifunk möchte da Klarheit verschaffen. Sollte das bei dir gerade nicht gelingen, lieber Leser, dann stelle bitte eine Frage im Kommentarbereich unterhalb des Artikels!

Spulen wir nun ein wenig zurück und betrachten, wie es zu dieser Situation gekommen ist.

Wachstum unaufhaltsam

Wie allseits bekannt, ist Freifunk eine Bewegung zur Errichtung öffentlicher WLAN Mesh-Netzwerke. Jede interessierte und engagierte Mitbürgerin ist eingeladen, einen eigenen Router aufzustellen und das Netz weiter zu verbreiten.

In den letzten Jahren gab es dazu mehr als genug Motivation: man wollte der Störerhaftung entgehen oder den Flüchtlingen freies Internet bringen. Zwar hat uns das mit dem Ausbau der Mesh-Verbindungen nicht viel weiter gebracht, weil nur eine Vielzahl von sogenannten Wolken entstanden sind; diese Wolken sind aber wertvolle Oasen des Freien Internets, die gerne genutzt werden.

Organisatorische Karte des Freifunk Düsseldorf: Blaue und gelbe Punkte sind Knoten. Rote Punkte sind Clients. Grüne Linien sind drahtlose Verbindungen zwischen zwei Knoten.

Die Wolken sind also Standorte, an denen einzelne Router — genannt “Knoten” — ihren Dienst verrichten. Sobald zwei Knoten nah genug bei einander sind oder durch eine gerichtete Funkverbindung den Kontakt aufnehmen, verschmelzen diese Wolken zu einer größeren.

Technisch bedeutet dies folgendes:

Derzeit haben wir um die 300 Knoten online, von denen die meisten über einen Tunnel verbunden sind. Diese Tunnel verbinden die Wolken über das kabelgebundene Internet miteinander und ermöglichen ein einfaches Wachstum unseres Netzwerks. Ein Vorteil der Tunnel besteht also darin, dass wir immer das selbe Netzwerk anbieten und die Nutzer mit ihrem Endgerät (Client) frei herum laufen können, ohne die Verbindung zu verlieren. Damit das funktioniert, nutzen wir das Mesh-Protokoll B.A.T.M.A.N., über das die Verbindung eines Clients über das Netz signalisiert wird — ähnlich wie im Mobilfunk.

Skaliert das?

Nun fragen Expert*innen natürlich, ob “das skaliert”. Gemeint ist damit, dass diese Struktur sich aus technischen Gesichtspunkten nicht auf beliebig viele Geräte ausweiten lässt. Je mehr Knoten und Clients verbunden sind, desto mehr Daten werden ständig über das Netzwerk ausgetauscht.

Stell dir vor, es kommt ein neuer Client hinzu. Sobald dieser sich an einen Knoten verbunden hat, teilt dieser die Adresse des Clients im gesamten Netzwerk mit. Die Neuigkeit spricht sich zwischen den Knoten herum und alle erhalten früher oder später die Nachricht. Wenn es mehr Knoten gibt, muss die Nachricht öfter weiter gegeben werden. Und wenn es mehr Clients gibt, dann gibt es öfter solche Nachrichten. Das geht solange, bis irgendwo mal eine Leitung verstopft. Normale Internet-Anschlüsse besitzen leider nur wenig Kapazität und irgendwann passen die Daten nicht mehr über die Leitung, weil mehr passiert als übertragen werden kann. In der IT nennt man dieses Phänomen “Congestion”.

Das Netzwerk kann also mit der selben Struktur nicht beliebig wachsen. Wir müssen früher oder später eine Umstrukturierung vornehmen. Und genau das war nun an der Zeit.

Der Netsplit

Für dieses Problem gibt es prinzipiell nur eine Lösung: Der gordische Knoten muss zerschlagen werden! Wir zerteilen unser Netzwerk also in mehrere kleinere Netzwerke. Natürlich löst dies das Problem nicht auf ewig, aber es verschiebt es um ein paar Jahre, bis ein neuer Netsplit notwendig wird.

Nach einigem Hin und Her haben wir uns dazu entschieden, der vorgegebenen Unterteilung Düsseldorfs in Postleitzahlbereiche zu folgen. Jeder PLZ-Bereich soll ein eigenes kleines Netzwerk erhalten und einzeln an unsere Router im Rechenzentrum angeschlossen werden.

PLZ-Bereiche des Stadtgebiets

Dies beruhigt das Rauschen im Kanal erheblich, denn es müssen sich die Knoten nur noch mit den Nachrichten für ihren PLZ-Bereich beschäftigen. Neue Clients, neue Knoten und Veränderungen im Netzwerk interessieren also nicht mehr, wenn sie außerhalb der Nachbarschaft passieren.

Implementierung

Wir verwenden Tunneldigger, um die Verbindung der Knoten über das Internet zu realisieren. Dazu haben wir den Dienst so erweitert, dass er nun für jedes Segment eine eigene Netzwerk Bridge errichtet. Die Koordinaten ihres Standorts, die ein Knoten mitteilt, werden zu PLZ-Bereichen zugeordnet.

Ausblick

Wir sind erfreut über die vielen Menschen, die beim Ausbau eines freien Netzwerks mitmachen — und bisher wächst es immer weiter. Jedoch haben wir manchmal Sorgen, dass wir immer nur weiter vereinzelte Router auf der Karte aufpoppen sehen und nur wenig echte Vernetzung.

Klar ist das eine Menge Arbeit: engagierte Nachbar*innen finden, Antennen auf Dächer montieren, die Verbindung aufrecht erhalten. Aber es lohnt sich, denn die die Zukunft unseres Netzes hängt davon ab.

Wir als Verein beginnen im Jahr 2018 endlich mit dem Aufbau eines Backbones, der das Stadtgebiet über weitreichende Verbindungen vernetzen soll und eine leistungsfähige, autonome Verbindung an das (restliche) Internet realisiert. Dies ist der letzte Baustein, der uns zu unserer Autonomie fehlt. Eine Autonomie, die Freiheit für das Netz bedeutet.

Diese Freiheit, die wir uns nehmen, soll schließlich nützlich werden und nicht mehr zu beschränken. Bei allen politischen Kämpfen um unbeschränkte Partizipation am Internet braucht es Ansätze wie Freifunk. Wir zeigen, dass friedliche und nicht eigennützliche Infrastruktur möglich ist. Wichtig ist diese für viele Menschen, denen sonst der Zugang vielleicht gar nicht anders ermöglicht wird.

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